T. McNally – Corpus Christi

Theater Heilbronn 1999

Regie: Harald Siebler
Bühne: Thomas Pekny
Kostüme: Petra Straß

„Corpus Christi – Jesus auf der Love Parade“…Im Stil einer Love Parade kommen die Schauspieler – in aberwitzigen Kostümen gekleidet – auf die Bühne, intonieren einen Gospelsong und formieren sich im Halbrund…Die angehenden Jünger legen ihre Cowboyhüte ab, Judas streift sich seine grüne Frosch-Verkleidung vom Leib, und Joshua wirft den Glitzerfummel hin: Jesus Christus in einer homosexuellen US-Männergesellschaft.Mit der Taufe deutet Regisseur Harald Siebler bereits die homoerotischen Neigungen seiner Protagonisten an. Für einen Moment steht jeder der Jünger nackt unter einem kalten Wasserstrahl, der aus dem Schnürboden herabrieselt. Wie beim Vorsprechen, als Theater im Theater, berichten die künftigen zwölf Anhänger Christi aus ihrer Biografie, streifen sich dunkle Anzüge über…Wenn das christliche Pathos mitunter zu stark zu werden droht, begeistern slapstickartige und bisweilen groteske Akzente das Publikum.
Berliner Morgenpost 20.9.1999

„Das Apostelspiel“…Die deutschsprachige Erstaufführung in Heilbronn bemüht sich, die christliche Botschaft der Nächstenliebe, auch jenseits der gängigen Normen, in den Mittelpunkt zu rücken. Zuerst entledigen sich die dreizehn Darsteller ihrer Phantasiekostüme, kündigen gut brechtisch die alte, wohlbekannte Geschichte ohne „Tricks“ und „Arglist“ an, unterwerfen sich dann nackt und bloß der Tauf-Initiation unter der Dusche. Dann schmeißen sie sich aufopferungsvoll in das Wechselspiel der Figuren, eine Mischung aus dem allseits beliebten „Theatersport“ und dem neuen Sauseschritt-Theater, dem kürzlich erst Salzburg und nun Hamburg mit Luk Perzevals Shakespeare-„Schlachten“ huldigt.
Schwäbisches Tagblatt 21.9.1999

„Seht, was sie ihm angetan haben“…Regisseur Harald Siebler legt seinen Schwerpunkt nicht auf schwule Emanzipation oder Provokation, sondern auf die Frage, wie wir Zuschauer uns zu der Radikalität dieser christlichen Botschaft eigentlich verhalten. Das hat durchaus hohen Unterhaltungswert, vermittelt Spaß, Humor und Slapstick ebenso wie Aggression, Betroffenheit und Trauer. Ein Theater der Emotionen, wie es sein soll, das zur Selbsterkenntnis führen will – eines der schwierigsten Unterfangen überhaupt.

Siebler belehrt oder denunziert seine Protagonisten nicht, sondern nimmt sie ernst. Verlassen kann er sich dabei auf ein 13köpfiges, glänzend aufgelegtes Männer-Ensemble, das permanent und ausdauernd zwischen fünf Dutzend Männer- und Frauenrollen, zwischen den biblischen Ereignissen und dem heutigen Corpus Christi wechselt. Nur Kostümteile charakterisieren die Personen – ein Rollentausch, den das Ensemble prächtig meistert (Kostüme: Petra Straß)…
Heilbronner Stimme 20.9.1999

„Terror“…Mit Bomben – und zuletzt gar mit einer ferngesteuerten Rakete einer „Hamas-Organisation – bedrohen fanatische Muslime und Christen das polizeigeschützte Theater Heilbronn wegen des angeblich blasphemischen Stückes „Corpus Christi“. Nun hat der Deutsche Bühnenverein die Aktionen scharf verurteilt und das Theater bestärkt, das Stück nicht vom Spielplan zu nehmen.
Wochenspiegel 1999